Florian Gryspek von Gryspach

Florian Gryspek (1509-1588) stammte aus einer der ältesten bayerischen Adelsfamilien, deren Sitz Griesbach in Niederbayern liegt, wo das Geschlecht Gryspek seit Mittelalter lebt. Zu den ältesten bekannten Vorfahren gehört der Geschlechtsgenealogie nach Adalbero de Griesbach, nachgewiesen zwischen 1096-1120. Sein Geschlecht sorgte jahrhundertelang für Aufschwung sowie Vermögensvermehrung, und da er reiche Nachkommenschaft hatte, mussten die jungen Gryspeks nach militärischem, Kirchen- oder Hofdienst oft umschauen. 

Florian wurde am 18. 12. 1509 in Innsbruck geboren. Sein Vater war Georg Griesenbeck von Griesbach (+ 1525) und seine Mutter Kateřina von Grünhof, die noch vier weitere Söhne hatten. Florians Vater Georg, der schon die zehnte Geschlechtsgeneration darstellte, verließ das Geschlechtsschloss Gryspach in Niederbayern, um Dienst und Karriere anzutreten. 1493 wurde er zum Beamten im Kaiseramt und zum Hofrat in Innsbruck, wo die Familie zu Florians Geburtszeit lebte. Als Georg 1525 starb, gehörte er zu den ältesten Beamten im Hofdienst der Habsburger Kaiser Maximilian I. und Karl V. So eröffnete er die Familientradition Gryspeks als Beamtenadelige in Habsburger Dienst und an seinen guten Namen konnte auch sein Sohn Florian anknüpfen. Dieser bereitete sich auf seine Laufbahn ziemlich gut vor, denn die Familie achtete auf sein Studium und investierte in ihn nicht unerhebliche Finanzmittel. Er studierte an der italienischen Universität in Bologna das römische Recht und an der Pariser Sorbonne Philosophie und Theologie. Seine Bildung, Familientradition und die Nähe seines Vaters zum Habsburger Geschlecht führten Florians Schritte ebenfalls in den Hofdienst, und zwar zum König Ferdinand I., der 1526 begann in Böhmen zu regieren. Dieser erste habsburgische Herrscher auf dem böhmischen Thron bevorzugte katholische Ausländer vor den heimischen protestantischen Adeligen. In den Dienst zu Ferdinand I. wurde der junge Gryspek von dem Kaiser Karl V. persönlich empfohlen, denn dieser kannte ihn von dem Innsbrucker Hof.  Seine Karriere in der Prager Burg eröffnete der 21-jährige Junge 1530 als königlicher Sekretär und seine steil steigende Laufbahn trug ihn bis in die Rolle des Kammerpräsidenten (d.h. Finanzminister) hinauf. Während seiner Hofwirkung diente er drei  nacheinander folgenden böhmischen Königen und deutschen Kaisern – Ferdinand I., Maximilian II. und Rudolf II. Florian Gryspek war tüchtiger Diplomat, humanistisch gebildeter Gesellschafter und zuverlässiger Beamter, der den Herrschern insgesamt 58 Jahre diente. Seine wichtigste Tugend war vor allem seine Herrschertreue und Religiosität. Dies verursachte ihm mehrere Konflikte mit dem böhmischen Adel, der 1547 die Abwesenheit des Herrschers, der gegen den Schmalkandischen Bund, also gegen Protestanten  kämpfte, nutzte, nahm Gryspek gefangen und kerkerte ihn im Weißen Turm der Prager Burg ein. Nach der Rückkehr des Königs wurde Florian befreit und rehabilitiert und für seine Treue mit Landgütern und Anerkennung weiterhin beschert. Das Jahr 1547 war auch für Kralovice von großer Bedeutung, denn damals wurde es auf Florian Gryspeks Antrag von dem schon erwähnten Ferdinand I. zur Stadt erhoben.

Wir müssen jedoch zurück in das Jahr 1539 kehren, wo Florians Beziehungen zu Kralovice begannen. Als nämlich in diesem Jahr eine Hälfte von Kralovice durch den Plasser Abt an den damals unbekannten ambitiösen königlichen Beamten, den knapp 30-jährigen Florian Gryspek verpfändet wurde, war es von weitem nicht klar, was dieses Treffen für Kralovice bringt. Die Plasser Herrschaft, dessen Bestandteil Kralovice vom Mittelalter war, wurde oft verpfändet; die Gläubiger wechselten oft, selbst verschuldet tilgten mittels weiterer Pfände. Zu jenem Zeitpunkt wurde allerdings Kralovice das erste Mal an einen Ausländer verpfändet, der aus weitem Tirol stammte und in den böhmischen Ländern zusammen mit den Habsburgern Fuß fasste. 1543 erwarb Florian Gryspek auch die andere Hälfte von Kralovice und die Pfandhaltung wurde ihm für vier Generationen bestätigt. Dies bot Kralovice sowie der Herrschaft Kaceřov (deutsch Katzerschow, auch Katzerow), deren Bestandteil es wurde, eine fast hundertjährige Perspektive und erhöhte Gryspeks Interesse an dessen Entwicklung.

Florian Griespek stellte in der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg den Typ eines adeligen Bürokraten und Intellektuellen dar. Zusammen mit weiteren Anhängern von Ferdinand I. beteiligte er sich vor der Hälfte des 16. Jahrhunderts an der allmählichen Bürokratisierung der böhmischen königlichen Kammer, bewältigte die Registrator-, Sekretär- sowie Kammerrat-Agenda und wurde bald zum unentbehrlichen Beamten im Habsburger Dienst. Den gleichen Pragmatismus wie in der Verwaltung der königlichen Finanzen machte Florian auch bei seinen Gütern geltend, wo er das Einkommen sowie die Pflichten der Untertanen genau registrierte (Urbář kaceřovský (Urbar von Kaceřov)) und Vorschriften betreffend Verwaltung der Obrigkeits-Wirtschaftsunternehmen (Instrukce nelahozevská (Instruktion an Beamte zu Nelahozeves), 1588) sowie die Satzung für die Herrschaft Nelahozeves (Griespekův řád selský čili artikulové soudní na panství nelahozeveském (Griespeks Bauerordnung oder Gerichtsartikulen in der Herrschaft Nelahozeves) 1588) erließ. Ein klarer Sinn für die Verankerung der Rechte sowie Pflichten hatte Fortschritt und Rationalisierung der sozial-ökonomischen Beziehungen zur Folge.

Obwohl Florian schon mehr als zehn Jahre in Böhmen wohnte, fand er seine Ehefrau in Innsbruck. 1542 heiratete er Rosina Hölzel von Silian und in demselben Jahr wurde Václav (1542-1590), der Fortsetzer des Geschlechts als das erste seiner 24 Kinder geboren. Rosina Hölzel stammte aus der Familie des Kaiserrats und tirolischen Kammerpräsidenten Blasius Hölzel von Silian (1460-1526), der zehn Kinder hatte. Er hinterließ ihnen erhebliches Vermögen und gab seiner Tochter Rosina 1600 Gulden, die ihr als Mitgift im Gut Kaceřov, das Florian erworben hat, in der Landtafel versichert wurden. Rosinas Schwester Alžběta heiratete Wolfgang Volland von Vollandseck, der als Sekretär der Königin Anna, Gattin des Königs Ferdinand I. tätig war. Eine weitere Schwester Kateřina erwarb die Herrschaft Kočov (deutsch Gottschau) bei Tachov (deutsch Tachau) mit Hof und zehn Dörfern und hatte eine einzige unverheiratete Tochter, von der Florian Gryspek das Gut erbte, der es als eine der sieben Herrschaften, die er in Böhmen erworben hatte, seinen Söhnen hinterließ. Er gründete dadurch die böhmische Zweiglinie des Geschlechts und erwarb hier Grundstücksvermögen sowie ein Wappen. Den Revers zum böhmischen Land legte Gryspek in den 30er Jahren des 16. Jhs ab und erneuerte ihn am 10. Mai 1557.

Unter Ferdinand I. (1526-1564) wurden sehr enge Beziehungen zu Tirol gepflegt und so behielt Florian Gryspek Kontakte zu Innsbruck. Ebenfalls Florians Brüder erschienen im Habsburger Dienst. Ernst Gryspek wurde gemeinsam mit Florian von Maximilian II. als Kommissar zur Untersuchung der Gutenberger Gruben beauftragt, Hannsen (Jan) Gryspek ist als Kammerherr in Begleitung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol nach Prag 1565 nachgewiesen. Schon am 2. Oktober 1561 wurde er als Einwohner Böhmens enerkannt. 

Florian rühmte sich eines Wappens, das eine interessante Entwicklung verzeichnete und dessen Aussehen auch persönliche Medaillen darstellten, die er zu verschiedenen Gelegenheiten prägen ließ. Die erste stammt aus 1536 mit dem lateinischen Kredo „Invia virtuti nulla est via (Ohne Tugend kein Weg oder Für Tugend ist kein Weg unüberwindbar) und „Improbus labor omnia vincit“ (Beharrlichkeit führt zum Ziele).

Noch ehe Florian Gryspek Güter in Böhmen erworben hat, bekam er 

mehreren Aufenthaltsjahren in Prag 1538 ein Haus in Hradschin, und zwar von dem Metropolenkapitel, in dichter Nachbarschaft der Prager Burg. Nach dem Großbrand der Prager Burg 1541 baute er sein Haus wesentlich um und blieb sein Besitzer bis 1561, wo das Haus zum Grundobjekt des künftigen Erzbischofspalastes geworden ist. Gryspeks Haus in Hradschin zeugte von einer hohen gesellschaftlichen Stellung und Florian reihte sich durch seinen Sitz an die Seite der Paläste des ältesten böhmischen Adels, zu dem er als Katholik und Ausländer am Anfang keinen Zutritt hatte. Als Ferdinand 1558 zum Kaiser gekrönt wurde, erneuerte er als Äußerung seiner Unterstützung der katholischen Kirche das Prager Erzbistum, dessen Stuhl Brus von Mohelnice (deutsch Mohelnitz), nach 140 Jahren der erste „Nachhussiten-Erzbischof“ bestieg. Damit der Erzbischofsitz in der Prager Burg liegen konnte, kaufte der Herrscher von Gryspek dessen Hradschin-Palast ab und Florian Gryspek schaffte dann in der Kleinseite ein anderes Haus in der Karmelitská-Str. an, wo eine Gedenktafel an ihn erinnert.

Gryspek ist als Kammerherr in Begleitung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol nach Prag 1565 nachgewiesen. Schon am 2. Oktober 1561 wurde er als Einwohner Böhmens enerkannt. 

Florian Gryspeks Vermögensaufschwung wurde mit dem Aufbau von Schlössern und Sitzobjekten (Kaceřov, Nelahozeves) sowie mit dem Aufbau der Peter und Paul-Kirche in Kralovice, an die auch eine Geschlechtsgruft angebaut wurde, begleitet. Dank seiner Funktion am Kaiserhof konnte sich Florian Gryspek mit italienischen Renaissancekünstlern treffen und führte sie in den Dienst auch auf seinen Herrenhöfen ein, wo er beim Schlossaufbau nicht nur ihre Dienste sondern auch die reichliche Herrscherunterstützung nutzte.

Er selbst war jedoch auch nicht habgierig, er gehörte vielmehr zu führenden Rittermäzen des humanistischen Schrifttums, denn er unterstützte nicht nur zahlreiche Humanisten, sondern gehörte auch zu einer nicht großen Gruppe von „Sponsoren“, die Mittel zum Herausgeben böhmischer Bücher gewährten. Obwohl er sich zum Katholizismus bekannte, pflegte er rege schriftliche Kontakte zu ruhmreichen europäischen Reformatoren.

 Das erste Treffen Gryspeks mit führenden Reformationsdarstellern fand im von Karl V. zur Vereinigung in den Glaubensfragen einberufenen Reichstag in Augsburg statt. Gryspek nahm daran in Begleitung des böhmischen Königs Ferdinand I. teil und hier traf er das erste Mal Filip Melanchton, der Luther mit dem Vorschlag zu „Confessio Augustana“ vertrat. Kaiser Karl V. war mit dem Vorschlag nicht einverstanden, was zur Trennung der Religion führte. Das Treffen mit friedlichem und bedachtsamem Melanchton stellte für Gryspek einen wesentlichen Kontakt mit tolerantem Humanismus dar und er führte auch mit Melanchton rege Korrespondenz mehrere darauffolgende Jahre lang. Melanchtons Schüler seien angeblich in Florians Schlössern Kaceřov und Nelahozeves oft zu Gast gewesen. Hier trafen sich literarische und philosophische Persönlichkeiten zusammen, für deren Unterstützung, obwohl sie ins entgegengesetzte Lager gehörten, sich Gryspek beim Herrscher einsetzte. Es war zum Beispiel der bekannte Humanist und Melanchtons Schüler Matouš Collinus, Lektor der Prager Universität, den Gryspek auch gegen den Herrscher unterstützte. Er unterstützte auch zwei Pastoren in Jáchymov (deutsch Sankt Joachimsthal), Lutheraner, den Theologen Jan Matthesius, Prediger und Biographen Luthers, und den Kantor und Lehrer in der Lateinschule Niklas Hermann, der eine eigene Sammlung lutherischer Religionslieder herausgab, die bis heute gesungen werden. Kein Wunder, dass diese Reformatoren und Lutheraner ihrem katholischen Wohltäter Achtung in ihren Gedichten und literarischen Werken erwiesen. Obwohl eine solche Unterstützung bei keinem anderen Beamten geduldet würde, tolerierte der Herrscher Gryspeks mit kosmopoliter Kultivierheit verbundene Religiosität. Nachdem der Augsburger Religionsfriede in Kraft getreten war, was „cuius regio eius religio“ bedeutet, d.h. zu welcher Religion sich der Landherrscher bekennt, solche müssen auch die jeweiligen Untertaten einhalten, zwang Gryspek seine Untertanen auf seinen Herrschaftsgütern nicht zur neuen Glaubensform und gab den Menschen faktisch religiöse Freiheit, allerdings mit einer einzigen Bedingung, dass sie jeden Sonntag und Festtag in die Kirche zum Gottesdienst gehen müssten.

Seine Söhne wurden in der Jugendzeit von humanistischen Präzeptoren nichtkatholischer Glaubensbekenntnis gebildet und wahrscheinlich unter dem Einfluss von Filip Melanchton auf nichtkatholische Universitäten in Altdorf, Basel, Straßburg und Paris gesandt. Dem Vatervorbild nach gehörten auch die Söhne zu bedeutenden Literaturmäzen auf der Wende des 16. und 17. Jhs. Ehebündnisse mit böhmischen Adeligen aus nichtkatholischen Geschlechtern, Neigung zum evangelischen Glauben und politische Stellungen einiger Florians Söhne im böhmischen Ständeaufstand 1618-1620, für die ihnen ihr Vermögen beschlagnahmt wurde, weisen nach, dass das Geschlecht Griespek schon in der zweiten Generation unter der böhmischen Ständeumgebung aufgegangen ist und sich den Interessen der zentralistischen königlichen Politik entfremdet hat.

Nach Ferdinands Tod bestieg den Thron sein Sohn Kaiser Maximilian II. (1564 - 1576) und auch ihm diente Florian als Vertrauensmann und Geheimrat. Maximilian war gegenüber Protestanten mehr tolerant als sein Vater und so wandte sich Florian damals an das utraquistische Konsistorium mit der Bitte, ihm Geistliche zu senden und seit jener Zeit wurde in Gryspeks Kirchen im Ritus Utraquist zelebriert. Das war sein erster Schritt in dieser Richtung, der selbstverständlich ein Dorn im Auge dem Plasser Kloster war, insbesondere nachdem Gryspek nicht nur utraquistische sondern auch lutherische Pastoren auf seine Herrschaften einlud, was ab 1570 geschah. Er selbst ist jedoch Katholik bis zu seinem Tod geblieben. Florian starb am 29. März 1588 in Nelahozeves und vierzehn Tage später wurde er in der Gruft der Peter und Paul-Kirche in Kralovice beigesetzt. Seine Söhne ließen ihm ein wunderschönes Epitaph herrichten und wurden selbst auch später in der Gruft bestattet.

Die böhmische Zweiglinie hielt auch trotz Florians zahlreicher Nachkommenschaft nur ein bisschen länger aus als die vier Generationen; der letzte böhmische Gryspek starb 1678 in Střeziměř bei Klatovy (deutsch Klattau).

Kralovice erlebte unter Florian Gryspek die Blütezeit seines Aufstiegs, Emanzipation und Aufschwung im juristischen Bereich. Nachdem es unter die Herrschaft des Plasser Klosters zurückgekommen war, wurde es wieder zu einer gewöhnlichen Untertanenstadt, in der die Renaissancekirche und das Schloss, das jedoch im 20. Jh spurenlos eingegangen ist, an das Gryspek Geschlecht erinnerten. Die Stadtdominante, die St. Peter und Paul-Kirche wird jedoch an den Ruhm eines führenden königlichen Beamten noch lange erinnern. Die Kirchenbesucher können etwas über die Schicksale der böhmischen Zweiglinie Gryspek in der in der Herz-Jesu-Kapelle installierten Exposition erfahren.   

1509   * 18. 12. Innsbruck

1530 kommt nach Prag

1532 Sekretär der böhmischen königlichen Kammer

1537/1538 Kammerrat, erwirbt ein Haus in Hradschin

1539 zahlt eine Hälfte von Kralovice als Pfand zusammen mit Kaceřov aus

1542 Militärrat

1543 erwirbt die andere Hälfte von Kralovice, vereinigt die Herrschaft, Pfand für 4 Generationen

1547 eingesperrt von den böhmischen Ständen im Weißen Turm der Prager Burg

1547 Kralovice zur Stadt erhoben

1547 Ferdinand von Tirol, Sohn Ferdinands I.(1547-1567) Statthalter in Böhmen

1549 erwirbt den Pfand für Herrschaft Nečtiny (deutsch Preitenstein), 1557-8 erwirbt er es erblich

1557 kauft Kočov bei Tachov

1558 Urbar von Kaceřov

1571 kauft die Herrschaft Libštejn (deutsch Liebenstein)

1588 Instruktion an Beamte zu Nelahozeves

1588 Griespeks Bauerordnung oder Gerichtsartikulen in der Herrschaft Nelahozeves

1588 29. 3.  stirbt in Nelahozeves

1593 Herrichtung des Epitaphs in der Peter und Paul-Kirche in Kralovice

 

Text: PhDr. Irena Bukačová